An der Husumer Straße wurden ab 1945 von der Stadt Schleswig Obdachlose und Sozialschwache in verschiedenen Notunterkünften untergebracht.
Neben dem Minerva-Lager, der Baracke Husumer Straße Nr.70a sowie den Baracken am Lürschauer Weg diente auch die Siedlung Krebsteich diesem Zweck.
Während die erstgenannten Unterkünfte teilweise schon vor 1945 zu militärischen Zwecken errichtet wurden und in einigen Baracken dort nach dem Krieg zunächst Flüchtlinge untergebracht wurden, hat die Stadt Schleswig die Notunterkünfte Krebsteich erst Anfang der 60er Jahre errichten lassen.
Siedlung Krebsteich (oberer Bildbereich) 1985, Ansicht von Süden
Deutlich ist der Moorkatenteich zu erkennen,
rechts von ihm der Moorkatenweg.
Die Siedlung an der Straße Krebsteich lag nördlich des Moorkatenweges in unmittelbarer Nähe zum Moorkatenteich. Vor dem zweiten Weltkrieg stand am Südufer des Teiches tatsächlich eine Moorkate, über die mir jedoch keine Einzelheiten vorliegen. Wahrscheinlich war diese Moorkate namensgebend für den Weg und den Teich.
Stadtplan 1926.
Mitten in den Heidekoppeln an der Husumer Landstraße liegt der Teich,
an dessen Südufer ist auf dem Flurstück Nr.131
die Moorkate eingezeichnet.
Stadtplan 2010 mit dem Moorkatenteich.
Die Straße Krebsteich ist noch aufgeführt,
sie befindet sich jedoch im Brachland, da die
letzten drei Gebäude bereits 2004 abgebrochen wurden.
Die ersten Lagepläne von der Siedlung Krebsteich stammen aus dem Jahr 1962. Zu diesem Zeitpunkt war u.a. das benachbarte Minerva-Lager mit Obdachlosen und Sozialschwachen belegt. Da die Baracken und ehemaligen Munitionshäuser, die nach dem Krieg zu Notunterkünften umgebaut wurden, im allgemeinen baufällig und eigentlich zur Unterbringnung von Menschen ungeeignet waren, bestand die Notwendigkeit zur Schaffung neuer Notunterkünfte.
Die Stadt Schleswig entschied sich für eine Fläche, die nördlich des Moorkatenweges lag und zu damaliger Zeit zum Teil Schrebergartengelände war. An diesem “verlängertem” Moorkatenweg wurden zwischen 1962 und 1964 insgesamt elf Gebäude errichtet.
Die Gebäude bestanden aus Gasbetonsteinen und wurden mit einem Eternitdach und einem Holzfußboden versehen. Bei den Unterkünften handelte es sich um dänische Fertighäuser des Architekten John Høgsted aus Nordborg, die größtenteils in Dänemark vorgefertigt wurden.
Die Kosten für ein Gebäude, in dem sich jeweils vier Behehelfswohnungen befanden, wurden pauschal mit 9642,-DM angegeben. Eine Wohnung bestand aus folgenden Räumen : Wohnzimmer (13,4 m²), Küche (8,65 m²), WC (1,69 m²), Flur (1,41 m²) und einer Abstellkammer (1,41 m²).
Der Bau der ersten drei Häuser (Moorkatenweg Nr.17, 18 und 19, später Adressenänderung in Krebsteich Nr.7, 12 und 14) wurden mit dem Bauschein Nr.964/62 genehmigt. Der Vertrag mit dem Architekten enthielt die Frist, daß die Häuser bis zum 01.Februar 1963 fertigzustellen seien.
Weitere drei Häuser wurden im Zeitraum April bis Juli 1963 errichtet, so daß im Juli 1963 insgesamt 24 Behelfswohnungen am verlängerten Moorkatenweg, später Umbenennung in Krebsteich, zu Verfügung standen.
Da eine Räumung des Minerva-Lagers, in dem im Mai 1964 noch etwa 100 Personen untergebracht waren (im Oktober 62 waren es noch 166 Personen), immer dringlicher wurde, erfolgte eine Erweiterung der Siedlung Krebsteich. Geplant war der Neubau von sechs weiteren Häusern sowie zwei Stallgebäuden.
Tatsächlich wurden bis zum 1.Dezember 1964 aber nur drei Häuser und die beiden Ställe gebaut. Die Siedlung bestand somit aus neun Wohnhäusern mit jeweils vier Behelfswohnungen und den beiden Stallgebäuden.
Die Genehmigung zum Bau weiterer Häuser wurde unter der Bedingung erteilt, daß ein Kinderspielplatz angelegt werden müßte. Weiterhin sind die Notunterkünfte durch einen Grüngürtel von der übrigen Bebauung abzugrenzen.
Die abgelegene und abgegrenzte Lage der ehemaligen Siedlung Krebsteich ist auch im Jahr 2010 noch zu erkennen. Der Zugang zur alten Siedlung führt über einen verwachsenen Weg durch den 1964 geforderten Grüngürtel.
Lageplan Siedlung Krebsteich Juli 1964
rot | – | erbaut 1962 |
grün | – | erbaut 1963 |
blau | – | erbaut 1964 |
pink | – | geplant 1964, nicht gebaut |
In welchem Jahr der verlängerte Moorkatenweg in Krebsteich umbenannt wurde, ist mir nicht bekannt. Allerdings muß diese Namensänderung nach 1966 stattgefunden haben, den im Adreßbuch 1966 wird der Moorkatenweg mit den Nummern 17 bis 23 noch aufgeführt. Aus der folgenden Tabelle ergibt sich die Adressenänderung der Siedlung, die bei der Namensänderung von Moorkatenweg in Krebsteich durchgeführt wurde.
Moorkatenweg | Krebsteich (nach 1966) | Baujahr | Abbruch |
17 | 7 | 1962 | 2004 |
17a | 9 | 1964 | 2004 |
18 | 14 | 1962 | 1987 |
18a (Stall) | 16 | 1964 | 1988 |
18b | 18 | 1964 | 1988 |
19 | 12 | 1962 | 1987 |
20 | 10 | 1964 | 1987 |
21 | 5 | 1963 | 2004 |
22 | 8 | 1963 | 1987 |
23 | 3 | 1963 | 1987 |
24 (Stall) | 6 | 1964 | 1987 |
25 | – | geplant 1964 | – |
26 | – | geplant 1964 | – |
27 | – | geplant 1964 | – |
Die Bedingungen, unter denen die Bewohner in den Unterkünften Minerva und Krebsteich leben mußten, waren, trotz der neueren Gebäude der Siedlung Krebsteich, eher schlecht. Aus diesem Anlass wurde die “Interessengemeinschaft Krebsteich und Husumer Straße 89” von einigen Bewohnern des Minerva-Lagers und der Siedlung Krebsteich gegründet Die Interessengemeinschaft forderte im Juni 1974 die Stadt Schleswig auf, Verbesserungen der Wohnsituation in der Husumer Straße 89 (Minerva) und in der Siedlung Krebsteich vorzunehmen. In dieser Zeit waren am Krebsteich 27 Familien untergebracht. Für diese z.T. kinderreichen Familien standen nach Angaben der Interessengemeinschaft nur zwei Waschmaschinen zur Verfügung. Zudem seien einige Wohnungen feucht und auch die elektrische Installation würde eine Gefahrenquelle darstellen.
Die Stadt Schleswig stellt im Gegenzug jedoch klar, daß zwischen den Bewohnern der Notunterkünfte kein Miet-, sondern ein öffentlich rechtliches Nutzungsverhältnis besteht. Daraus sind keine Forderungen herzuleiten. Weiterhin handelt sich nur um Notunterkünfte, dessen Zweck eine vorübegehende Nutzung zur Vermeidung einer Obdachlosigkeit sei. Für ein dauerhaftes Wohnnen waren die Unterkünfte nicht vorgesehen.
Es werden auch noch weitere Vereinigungen genannt, die die Interessen der Bewohner vertreten wollten, wie z.B. die am 05.Oktober 1974 gegründete “Wohnlagerinitiative Schleswig”.
Es gibt auch einen Aktenvermerk über eine “Arbeitsgruppe Krebsteich”, dessen Mitglieder u.a. Flugblätter im Stadtgebiet verteilt haben um auf die “skandalöse” Unterbringung von Obdachlosen in Schleswig aufmerksam zu machen. Allerdings wurde in einem Flugblatt ein Mitarbeiter des Ordnungsamtes persönlich angegrigffen und beleidigt. Daraufhin erfolgte ein Strafverfahren gegen den Verantwortlichen der “Arbeitsgruppe Krebsteich”.
In den Notunterkünften der Stadt Schleswig waren im November 1974 insgesamt 180 Personen untergebracht, darunter 21 Jugendliche und 85 Kinder. Aus diesen Zahlen ist ersichtlich, wie kinderreich die sozialschwachen Familien waren, in einem Vermerk des Sozialamtes wird dieser Umstand als “bemerkenswert” bezeichnet.
Siedlung Krebsteich 1985
Ansicht von Süden
Siedlung Krebsteich 80er Jahre
Ansicht von Norden
Im Jahr 1987 erfolgte der Abbruch von sechs Häusern der Siedlung Krebsteich, die Bewohner waren entweder in der Lage, eine Mietwohnung zu beziehen, ein anderer Teil der Bewohner wurde in die Obdachlosensiedlung Ansgarweg verlegt. Zwei weitere Gebäude wurden 1988 abgebrochen.
Die Auflösung des Lagers Krebsteich hat der Wirtschaftsausschuss der Stadt Schleswig im September 2001 beschlossen. Die noch bestehenden drei Gebäude mit insgesamt 19 Wohneinheiten, von denen 13 noch bewohnt waren, hätten aufwendig saniert werden müssen. Aus diesem Grunde wurde beschlossen, die verbliebenen Bewohner im Ansgarweg unterzubringen und die alten Gebäude abzubrechen.
Der Abbruch der letzten drei Notunterkünfte erfolgte 2004.
In jenem Jahr wurde das Gelände um die Krebsteich-Siedlung für die Staatsanwaltschaft und die Polizei interessant. 2004 wurde ein Schleswiger, der des Totschlages angeklagt war, in einem Prozess freigesprochen. Allerdings hegte die Staatsanwaltschaft Flensburg den Anfangsverdacht, das der Freigesprochene womöglich mit einem Bekannten zusammen eine Leiche im Gebiet der ehemaligen Krebsteichsiedlung vergraben haben könnte. Die Polizei vermutete, daß es sich dabei um die Leiche des seit 2001 verschwundenen Lübeckers Ruprecht Oehme handeln könnte, der im Waldschlößchen seinen Urlaub verbrachte. Er blieb nach einem Waldspaziergang verschwunden.
Das Areal um den Moorkatenteich wurde von der Polizei mit Suchhunden und Detektoren großflächig abgesucht, allerding ohne Ergenbnis.
Diese Fotos sind bei einer Begehung des Geländes im April 2010 entstanden.
ehemalige Siedlung Krebsteich.
deuten auf die ehemalige Siedlung hin.
im Hintergrund der Fernsehturm.
Schleswiger Nachrichten 08.09.2001, 04.11.2004
Schleswiger Adressbuch 1966
Stadtplan 1926
Schleswig in Luftbildern 1985, Verlag Rautenberg
Kleiner Umweltführer der Stadt Schleswig, Stadt Schleswig 1989