1. Topografie
Das sogenannte Minerva-Lager lag in einer Tannenschonung auf dem Gelände Husumer Straße 89 im äußersten Nordwesten der Stadt. Errichtet wurde die 1,5 ha große „Munitionsniederlage Königswill“ während des zweiten Weltkrieges.
Das Munitionsdepot bestand 1945 aus folgenden massiven Gebäuden : sechs Munitionshäuser (je 50 qm), einem Wachgebäude (37 qm) und einem Packmittelschuppen (110 qm). Die Zufahrt erfolgte von der Husumer Straße. Im vorderen Bereich an der Straße standen das Wachgebäude und der Packmittelschuppen.
Der unbefestigte Lagerweg führte an diesen beiden Gebäuden vorbei durch ein kleines Waldstück zu den Munitionshäusern, von denen drei südlich und die anderen drei nördlich des Lagerweges standen.
Das ehemalige Lagergelände ist rot umrandet.
Quelle: Google Maps
Das Munitionsdepot (Munitionsniederlage Königswill) am 14.April 1945.
Die Munitionshäuser sind deutlich zu erkennen.
Östlich des Lagers sieht man einen Teil des Verteidigungsgrabens,
der um das ganze Stadtgebiet gezogen wurde.
2. Das Flüchtlingslager Minerva 1946-1953
Im Mai 1946 teilt das Bauamt der Stadt Schleswig dem Oberpräsidium des Bezirks-Baukontrollamtes mit, das das ehemalige Munitionsdepot Minerva an der Husumer Straße zu einem Flüchtlingslager umgebaut werden soll. Die Umbaukosten wurden mit 5000,- Reichsmark veranschlagt.
In alle Gebäude des ehemaligen Munitionsdepot wurden Fenster, Zwischenwände, Türen, ein Schornstein sowie ein Heiz- und Kochofen eingebaut. Es folgten Installations- und Malerarbeiten. Die Munitionshäuser wurden mit Zwischenwänden geteilt, so daß zwei Wohneinheiten in einem Bunker entstanden. Bereits im September 1946 waren diese Umbauten abgeschlossen, lediglich die Dächer der Steingebäude waren noch reparaturbedürftig.
Der Lageplan des Flüchtlinglagers um 1946/47.
blau – Steingebäude des Munitionsdepot
rot – zusätzlich aufgestellte Holzbaracken
braun – Abort-Baracken
grün – Waldgebiet
Die vorhandenen Steingebäude des Munitionsdepot reichten offenbar nicht aus, um die Flut der nach Schleswig strömenden Flüchtlinge unterzubringen. Im Dezember 1946 wurde damit begonnen, zusätzlich 5 Holzbaracken, die größtenteils aus Wehrmachtseigentum stammten, auf dem Lagergelände zu errichten. Drei dieser Holzbaracken wurden aus Brekling umgesetzt, eine stammte vom Gelände des Krankenhauses in der Lutherstraße (ehemalige Isolierbaracke). Die fünfte Baracke (40m * 8m) wurde in Bollingstedt demontiert. Alle wieder aufgebauten Holzbaracken befanden sich in einem reparaturbedürftigen Zustand. Material für die Instandsetzung stammte von einer weiteren Holzbaracke, einer ehemaligen Unterkunftbaracke, die in Klosterhof abgebaut wurde.
Eine Isolierbaracke des Krankenhauses Lutherstraße.
Am 03.Juni 1946 erfolgte ein Flüchtlingstransport vom Lager Wilhelminenschule zum Lager Minerva, das ein Außenlager des Lagers Wilhelminenschule war. Mit diesem Transport kamen 81 Personen im Lager Minerva an, darunter 39 Kinder und Jugendliche.
Im Dezember 1947 erfolgte eine Besichtigung des Lagers durch den Gesundheitaufsehers des Gesundheitsamtes des Kreises. Aus dem Bericht dieser Besichtigung ist zu entnehmen, daß die hygienischen Zustände offenbar keinen Anlaß zu Beanstandungen gaben. Der Wanzenbefall in einer Steinbaracke konnte erfolgreich bekämpft werden, lediglich die Rattenbekämpfung hatte noch nicht den gewünschten Erfolg.
3. Die Ausstattung des Flüchtlingslagers
Die Ausstattung bestand, aufgrund der allgemeinen Materialknappheit, nur aus dem Notwendigsten. Um das Lager auszustatten, wurde auf alte Wehrmachtbestände zurückgegriffen.
So standen z.B. für die Kinder und Kranken Bettgestelle aus Wehrmachteigentum zur Verfügung, die aber aufgrund fehlender Liegeböden nicht genutzt werden konnten. Das Holz für die Herstellung der Liegeböden mußte erst anderweitig besorgt werden. Weiterhin wurden die Gebäude mit Decken, Tischen, Stühlen, Schränken und Öfen aus ehemaligen Wehrmachtbeständen ausgestattet. Als Toiletten standen für die Bewohner zwei Abortgebäude, Holzbaracken mit jeweils 6 Aborten, zur Verfügung. Das Trinkwasser wurde von einem Gemeinschaftsbrunnen mit Handpumpe geliefert, später wurden elektrische Pumpen installiert.
Im Juni 1946 wurde beim Postamt die Aufstellung eines Telefons im Lager beantragt, um im Falle von Krankheiten einen Arzt herbeirufen zu können.
In dem Lager müssen zeitweise Familien mit vielen Kindern untergebracht gewesen sein, denn in einer Holzbaracke wurde eine Schule eingerichtet. In dieser Baracke hat die das Tbc-Hilfswerk nach 1953 Tbc-Kranke untergebracht.
4. Die Lagerverwaltung
Bei der Frage nach dem Eigentümer des Lagers muß zwischen den ursprünglichen Steinbauten und den später errichteten Holzbaracken unterschieden werden.
Die Steinbauten des Munitionsdepot wurden nach der Kapitulation von der Stadt Schleswig auf ihre Kosten zu Wohneinheiten umgebaut und mit Flüchtlingen belegt. Bis dahin stand das Lager unter der Verwaltung des Wohnungsamtes der Stadt Schleswig.
1948 forderte das Finanzamt, als Treuhänder ehemaliger Wehrmachtbauten, von der Stadt Schleswig eine hohe Mietzahlung für die Nutzung der Steingebäude. Daraufhin gab die Stadt die Verwaltung der Gebäude dem Treuhänder zurück. Das Finanzamt setzte daraufhin zum 01.Oktober 1948 den Lagerleiter Schmidt als Lagerverwalter ein, der von dem Zeitpunkt an verpflichtet war, für die Kosten (Miete, Licht, Wasser) der Gebäude aufzukommen, d.h. er hatte von den Bewohnern das Wohngeld einzuziehen und an die Stadtkasse zu zahlen. Da Schmidt nun als Verwalter im Auftrag des Finanzamtes tätig war, kündigte ihm die Stadt seine Stellung als Lagerleiter. Weiterhin war Schmidt für die Einziehung der Verpflegungsgelder derjenigen Lagerbewohner verantwortlich, die ihr Essen aus der Gemeinschaftsküche beziehen. Wie sich kurze Zeit später herausstellen sollte, war für Schmidt der Umgang mit den Geldern zu verlockend.
Für die Verwaltung der Holzbaracken war die britische Dienstelle „Investigation Section No.1 Scrap Area Disposals Group Land Schleswig-Holstein 312 HQ CCG (BE) Kiel BAOR 6“ in Kiel zuständig. Auch diese Dienststelle hat die Verwaltung des Lagers dem Flüchtlingsbeirat übertragen, das Wohngeld für die Nutzung der Holzbaracken wurde an den Flüchtlingsauschuß gezahlt, der das Geld für die Instandhaltung des Lagers verwendete.
Die Lagerverwaltung lag bis zum 01.Oktober 1948 in den Händen des von der Stadtverwaltung eingesetzten Lagerleiters und dessen Stellvertreter sowie des gewählten Lagerauschusses (Flüchtlingsbeirat). Der Lagerauschuß bestand aus 5 Personen, die von allen Wahlberechtigten des Lagers gewählt wurden.
5. Die Lagerleiter Schattschneider und Schmidt
Im Minervalager waren relativ viele Flüchtlinge auf kleinem Raum untergebracht. Alte und junge, Familien, Einzelpersonen und Gebrechliche mußten in dem Lager miteinander auskommen. Da waren zwischenmenschliche Konflikte vorherzusehen, gerade wenn auch der Lagerleiter nur darum bemüht ist, Vorteile für sich und seine Familie zu erwirken.
So eine Person war im Jahre 1947 der Lagerleiter Schattschneider, ein Schwerkriegsbeschädigter Stufe III. Nicht nur die Familie des Lagerleiters war in Minerva untergebracht, sondern auch ein Teil seiner Verwandten mit deren Familien. Innnerhalb der Schattschneider-Familie gab es Streitigkeiten, die sogar in Schlägereien ausgeartet sind. Als Lagerleiter war Schattschneider auch Mitglied der Bekleidungskommision des Lagers, die die Lagerbewohner mit Kleidungsspenden des britischen Roten Kreuzes versorgten. Bei der Bekleidungsvergabe hat Schattschneider seine Familienangehörigen deutlich bevorzugt, ebenso wie bei der Ausgabe der Essensportionen. Weiterhin hat der Lagerleiter Tanzabende und Versammlungen der Lagerbewohner verboten, obwohl diese vom Wohlfahrtsamt genehmigt waren.
In dem Untersuchungsbericht des Wohlfahrtamtes über den Lagerleiter Schattschneider heißt es : „…daß der Lagerleiter den Lagerinsassen gegenüber sehr selbstherrlich auftritt und nicht nur in den geschilderten Fällen, sondern auch im Allgemeinen häufig seine Befugnisse überschreitet“.
Daraufhin ordnet das Wohlfahrtamt im August 1947 den Austausch der Lagerleiters Schattschneider an. Neuer Leiter des Minervalagers wird der bisherige Lagerleiter des Flüchtlingslagers Regierungsbaracken, Herr Schmidt. Zeitgleich sollte Herr Schattschneider die Nachfolge des Herrn Schmidt antreten, als Leiter des Lagers Regierungsbaracken.
Offensichtlich war Herr Schattschneider mit diesem Tausch nicht einverstanden, er kündigte sein Arbeitsverhältnis mit der Stadtverwaltung Schleswig zum 30.September 1947. Wie geplant wurde Herr Schmidt neuer Lagerleiter des Minervalagers. Obwohl Herr Schattschneider sein Arbeitsverhältnis mit der Stadtverwaltung Schleswig beendet hatte, blieb er noch im Minervalager wohnen und hetzte nun gegen den neuen Lagerleiter Schmidt.
Im April 1949 gab es die ersten aktenkundigen Unstimmigkeiten zwischen dem Lagerleiter Schmidt und dem Wohlfahrtsamt. Da Schmidt zu diesem Zeitpunkt bereits eine Art „geschäftsführender Verwalter“ des Minervalagers war, hatte er auch die Verantwortung für die Abgabe der Mieten (bis 1.10.48) und Verpflegungsgelder für die Gemeinschaftsküche an die Stadthauptkasse.
Nach einer Überprüfung der Zahlungen vom Stadtwohlfahrtsamt wurde festgestellt, das Schmidt die Unterkunftsgebühren für September 1948 sowie das Verpflegungsgeld für Februar 1949 nicht an die Stadthauptkasse gezahlt hat. Die Gesamtsumme betrug 484,- DM. Schmidt rechtfertigte sich damit, das ihm vom Finanzamt mitgeteilt wurde, das er die Unterkunftsgebühren nicht mehr an die Stadthauptkasse zahlen solle.
Die Verpflegungsgelder zahlte Schmidt im Mai 1949 ein, die Unterkunftsgebühren in Höhe von 348,-DM blieb er schuldig, im Juni gab er zu Protokoll, das er das Geld eigenmächtig und ohne Genehmigung für seine Unterkunft verbaut habe.
Im Mai 1949 überprüfte das Wohlfahrtamt die Abrechnungen für die Verpflegungsgelder und die Zahl der gelieferten Portionen für die Gemeinschaftsküche. Dabei stellte sich heraus, das Schmidt deutlich mehr Essensportionen angefordert und bekommen hatte, als Personen in Gemeinschaftsverpflegung standen.
So hatte er z.B. im März 1949 insgesamt 76 Essensportionen erhalten, obwohl nur 41 Personen in Gemeinschaftsverpflegung waren. Mit dieser Methode hat Schmidt in dem Zeitraum Januar bis Juni 1949 insgesamt 2204 Essensportionen zuviel erlangt, die einen Wert von 1763,20 DM (0,80 DM / Portion) hatten. Schmidt versuchte, sich dadurch zu rechtfertigen, das immer ein gewisser Schwund vorhanden sei.Das Wohlfahrtsamt hielt aber dagegen, das es bei Essensportionen keinen Schwund gäbe.
Im Juli 1949 war der Lagerleiter Schmidt mit seiner Familie und seinen Habseligkeiten plötzlich aus dem Minervalager verschwunden. Das Wohlfahrtsamt erstatte daraufhin Strafanzeige gegen Schmidt, die Staatsanwaltschaft Flensburg stellte das Verfahren aber bereits im August 1949 vorläufig ein, da der Aufenthaltsort von Schmidt noch nicht ermittelt werden konnte. Aufgespürt wurde Schmidt kurze Zeit später in der russischen Zone, in Dresden, wo er bei seinen Angehörigen untergetaucht ist. Aber auch die Staatsanwaltschaft Dresden stellte das Verfahren gegen Schmidt im Dezember 1949 ein, da ihm „mangels zur Überführung geeigneter Beweismittel die Tat nicht nachzuweisen ist.“ Offensichtlich war die Buchführung Schmidts im Minervalager so mangelhaft, das sie sich nicht als Beweismittel eignete. Im Januar 1950 erstattet die Stadtverwaltung Schleswig erneut Strafanzeige gegen Schmidt. Es hatte sich herausgestellt, das Schmidt nicht nur Handwerker, die in Minerva tätig waren, um ihre Rechnungen betrogen hat, sondern das er auch die ihm von den Lagerbewohnern zur Verwahrung anvertrauten Ersparnisse unterschlagen hat. Da Schmidt jedoch kein Vorsatz nachgewiesen werden konnte, wurde auch dieses Verfahren eingestellt.
6. Das Obdachlosenlager Minerva 1953-1976
Während in den ersten Jahren nach dem Krieg die Unterbringung von Vertriebenen Priorität hatte, so verlagerte sich die Problematik Anfang der 1950er Jahre auf die Unterbringung von Obdachlosen und Asozialen. Weiterhin war die Stadt auf der Suche nach Wohnraum für TBC-Kranke.
Die Stadt hatte im Bereich der Husumer Straße bereits eine weitere Baracke für Obdachlose errichtet, die jedoch nicht ausreichend war. Im September 1952 wurde von der Stadt geplant, die Flüchlinge vom Minervalager in das Lager Moltkekaserne zu bringen, um in Minerva die Obdachlosen unterzubringen.
Im Juni 1953 erfolgte eine Besprechung zwischen den Vertetern der Stadt und des Kreises sowie dem Kieler Minister für Soziales, Arbeit und Flüchtlingsfragen, Hans-Adolf Asbach, statt. Der Minister erklärte, das das Sozialministerium nicht den Plänen der Stadt zustimmen werde, nach Räumung des Minervalagers dort erneut Menschen unterzubringen. Zum einen sei das Minervalager eines der schlechtesten Lager im Kreisgebiet, zum anderen hat die Stadt Schleswig Bundesmittel aus dem Barackenräumungsprogramm erhalten mit der Auflagen, das Wohnraum für die Flüchtlinge geschaffen (Erichtung von 32 Wohnungen an der Königsberger Straße durch die Gewoba) und das Lager abgebrochen wird, da es in keiner Weise zur Unterbringung von Menschen geeignet sei. Sollte das Lager nach Umsiedlung der Flüchtlinge mit Asozialen belegt werden, müsse die Stadt damit rechnen, daß die Mittel zurückgefordert werden.
Zum 01.Oktober 1953 mietet die Stadt Schleswig dennoch von der Oberfinanzdirektion Kiel, dem Treuhänder ehemaliger Wehrmachtsbauten, das Minervalager auf unbestimmte Zeit an. Festgesetzt wurde eine jährliche Miete von 1160,- DM. Für die Instandsetzung der Steingebäude wurde 3300,-DM veranschlagt. Im November 1953 erwirbt die Stadt vom Kreis die im Lager stehenden 3 Holzbaracken für 400,-DM.
Untergebracht wurden Personen, die aus ihrer bisherigen Wohnung herausgeklagt wurden, sowie Bewohner anderer, baufälliger Baracken (Baracke bei der Waldmühle, Baracke am Lürschauer Weg, Baracke an der Michaelisallee). Im Dezember 1953 sollten in Minerva 14 Personen untergebracht werden, weiteren 34 Einzelpersonen und Familien sollte eine Unterkunft im Lager angeboten werden. Von diesen Personen haben insgesamt 8 die Unterbringung in Minerva abgelehnt.
Die Mietpreise lagen zwischen 0,30 und 0,50 DM/qm, je nach Zustand des Gebäudes / der Baracke. Die Verteilung der Räume war unterschiedlich, so gab es Zwei-Personen-Haushalte, die einen Raum von etwa 22 qm Größe hatten, anderseits wohnten sieben Personen zählende Familien auf etwa 19 qm.
Für die Aufrechterhaltung der Ordnung und Sauberkeit setzte die Stadt einen Hausmeister im Lager ein.
In einer Sitzung des Bauauschusses 1957 wurde festgestellt, das die Holzbaracken in Minerva baufällig und nicht mehr standsicher seien. Eine anderweitige Unterbringung der Baracken-Bewohner sei notwendig, anschließend müßten die Baracken abgebrochen werden. Dies betraf die Bewohner die Baracken 3, 10 und 12, die von insgesamt 79 Personen bewohnt waren. Aufgrund der damit verbundenen hohen Kosten war aber eine schnelle Umsiedlung nicht in Sicht.
Daß die Bewohner alles andere als ordentlich waren, geht aus einem Aktenvermerk der Polizei im Jahre 1959 hervor. Ein Polizeihauptwachmeister stellte fest, daß sich „im Minervalager große Mengen an Schutt und Abfällen aller Art befänden.“ Davon würde eine Gefahr für die Bewohner ausgehen, da sich bereits Ratten und anderes Ungeziefer angesiedelt hat. Aufgrund dieser Feststellung wurden im Januar 1960 Mülltonnen aufgestellt und das Lager an die städtische Müllabfuhr angeschlossen. Im gleichen Jahr waren einige Baracken von einer Wanzen stark befallen. Das Kreisgesundheitsamt war nicht in der Lage, eine völlige Entwesung durchzuführen, es wurde eine Schädlingsbekämpfungsfirma aus Kropp mit der Entwesung der Baracken beauftragt.
Anfang der 60er Jahre wurden am Krebsteich feste Steinhäuser zur Unterbringung von Obdachlosen errichtet, so daß 1963 die Bewohner der stark baufälligen Holzbaracken an den Krebsteich umgesiedelt werden konnten. Noch im gleichen Jahr erfolgte der Abbruch der Holzbaracken.
7. Die “Wohnlagerinitiative Schleswig”
In den folgenden Jahren gab es keine Veränderungen in Bezug auf das Obdachlosen-Wohnlager Minerva. 1974 scheinen sich die Zustände im Lager deutlich verschlechtert zu haben, die Bewohner gründeten zusammen mit den Bewohnern der Obdachlosenunterkunft Krebsteich eine „Wohnlagerinitiative Schleswig“.
Für das Lager an der Husumer Straße wurden u.a. folgende Forderungen an die Stadt gestellt : Ausstattung jeder Wohnung mit Wasser- und Abwasseranschluß, Einbau von Toiletten, Aufstellen von zwei Straßenlaternen sowie die Asphaltierung der mittlerweile fast unbenutzbaren Lagerzufahrt.
Die Stadt lehnte diese Forderungen mit der Begründung ab, das es sich bei den Wohnanlagen Krebsteich und Minerva nicht um Wohnungen handelte, sondern um vorrübergehende Notunterkünfte. Zudem war die Stadt in den vergangenen Jahren in der Lage, Obdachlose in geeigneten Wohnungen unterzubringen und dieses auch weiterhin anstrebt. Außerdem würden einige Familien schon in den Notunterkünften nicht das geforderte Unterkunftsgeld zahlen, so daß davon auszugehen ist, das diese Familien bei einem Wohnungseinzug ebenfalls nicht die Miete zahlen würden.
Die Situation spitze sich zu, als Mitglieder der Wohnlagerinitiative und der Arbeitsgruppe Krebsteich in der Innenstadt Flugblätter verteilen, um die Bevölkerung auf die menschenunwürdigen Bedingungen in den Notunterkünften aufmerksam zu machen. Ein Satz lautete :“Wußten Sie, daß es im Ordungsamt Schleswig einen Mann Namens Sch. gibt, der seine Position dazu ausnutzt, Obdachlose wie Kühe von einem Stall in den anderen Stall zu schieben !!!“ Daraufhin erstatte das Ordnungsamt Strafanzeige wegen Beleidigung.
8. Räumung und Abbruch
Erst im Mai 1975 bekommt die Stadt Schleswig eine Antwort vom Bundesvermögensamt. Einer schrittweisen Räumung wird zugestimmt, freiwerdende Gebäude müssen unmittelbar auf Kosten der Stadt abgebrochen werden. Das Lagergelände ist nach vollständigem Abbruch und Räumung allen Bauschutts und Unrats an den Bund zurück zu geben. Die letzten Bewohner hatten sich bis zum Ende geweigert, das Lager zu verlassen. Diese Bewohner haben nicht nur ihre Häuser durch An- und Umbauten vergrößert, sondern zusätzlich ohne Genehmigung kleine Holzhäuser für deren Kinder errichtet. Erst im Januar 1976 hat die letzte Familie das Lager verlassen. Es folgte der Abbruch der letzten Gebäude sowie die Beseitigung des Bauschutts und Unrats. 1977 hat der Nachnutzer des Geländes, der Schleswiger Reitverein, bereits mit Planierarbeiten begonnen.
9. Die Lagerbelegung 1946-1973
Leider gab es keine regelmäßigen Zählungen der Bewohner, aber die vorhandenen Daten geben Aufschluß über die Entwicklung der Belegungszahlen.
Die Entwicklung der Bewohnerzahlen in der Zeit von 1946 bis 1973.
Aus der Tabelle ist zu entnehmen, daß das Lager am stärksten Ende der 40er, Anfang der 50er Jahre belegt war. Seit der Unterbringung von Obdachlosen im Lager 1953 sind die Zahlen stetig zurückgegangen, was durch die Bemühungen der Stadt bedingt war, Obdachlose in “richtigen” Wohnungen unterzubringen.
1973 ist die Bewohnerzahl noch einmal leicht gestiegen, was durch den Abbruch der Obdachlosenbaracke Husumer Straße 70 hervorgerufen wurde.
Das Lager 1975
Harald Jenner, 100 Jahre Krankenhaus Schleswig