Hier veröffentliche ich die “Kriegschronik der Stadt Schleswig 1939-1948”, die von dem damaligen Stadtarchivar Ernst Petersen zusammengestellt wurde.
Die Zusammenstellung erfolgte auf Anordnung des Schleswiger Bürgermeisters Franz von Baselli. Hintergrund war ein entsprechender Erlass des Reichs- und Preußischen Ministeriums des Innern. Sämtliche Dienststellen der Stadtverwaltung hatten damit alle Aufzeichnngen der Ereignisse festzuhalten. Diese Berichte waren beim Stadtarchivar Ernst Petersen einzureichen. Auf Grundlage dieser Aufzeichungen erstellte Petersen die Kriegschronik der Stadt Schleswig, die sicherlich nicht alle Ereignisse aufzählt, aber einen Einblick in die Stadtgeschichte während der Kriegsjahre gibt.

Die Kriegschronik war sogar noch im Jahre 1965 für jegliche Nutzung gesperrt. Ich veröffentliche sie hier ohne weitere Überprüfung oder Kommentare.

Diese Chronik wurde erstmalig vollständig in dem Buch “Weiter ist uns nichts geschehen hier in Schleswig – Chroniken und Verwaltungsberichte aus der Zeit des 2.Weltkriegs” zusammengestellt und kommentiert von Matthias Schartl (ISBN 3-935741-o4-9) veröffentlicht.

Grundlage dieser Veröffentlichung ist das maschinengeschriebene Manuskript von Ernst Petersen (GA Sl-FL).

 

Jahresübersicht

1939
194o
1941
1942
1943
1944
1945
1946
1947
1948

 

1939

 

25.August (Freitag)
Zahlreiche Wehrpflichtige wurden am 24. und 25.August zu “Übungen” einberufen. Die gespannte politische Lage spitzt sich immer mehr zu.
Die Garnison hat Schloß Gottorf und die Moltkekaserne zum größten Teil mit unbekanntem Ziel verlassen, um den eingezogenen Reservisten Platz zu machen.

26.August
In der verflossenen Nacht erhielten viele Wehrpflichtige der jüngeren Jahrgänge ihre Gestellungsbefehle. Früh morgens treffen auch Hunderte von Kraftwagen hier ein, die auf dem Stadtfelde zur Verfügung der Wehrmacht aufgestellt werden. Es erfolgt die Abschätzung und Übernahme.
Ein Teil der Kinder kommt aus der Schule zurück, da die Klassenräume mit den Einberufenen belegt sind. In der Gallberg-Schule, Bugenhagenschule, im Stadttheater und im Restaurant “Hohenzollern” werden die Einberufenen zusammengestellt.

Die zum Wochenmarkt (Sonnabend) eintreffenden Landleute und Marktbesucher werden nach em Rathausmarkt verwiesen, um den Kornmarkt und die Michaelisstraße für den umfangreichen Kraftwagenverkehr nach dem Stadtfelde freizuhalten. Die Stimmung der Bevölkerung ist ruhig und zuversichtlich.
Eine allgemeine Mobilmachung, wie früher üblich, ist jedoch nicht angeordnet, trotzdem die große Masse der ausgebildeten Wehrpflichtigen schon einberufen worden ist.

27.August (Sonntag)
Bei der Stadtverwaltung wird Dienst angesetzt. Die in Urlaub befindlichen Beamten und Angestellten sind zurück gerufen worden. Am Nachmittage erfolgt bereits die Verteilung von Lebensmittelkarten durch Helferinnen. Die Karten waren in aller Stille gedruckt worden. Das bedeutet die sofortige Rationierung der wichtigsten Lebensmittel.
Ferner wird die Auszahlung des “Familienunterhalts” an die Ehefrauen der Einberufenen im Wohlfahrtsamt vorbereitet. Auch erfolgt die Einführung von Bezugsscheinen für Bekleidung und Schuhwaren. Im Stadtbauamt (früheres Altertumsmuseum) am Gallberg Nr.3 wird ein Lebensmittelamt eingerichtet.

28.August (Montag)
Der Tag bringt noch immer keine Entscheidung in der kriegsschwangeren Lage. Im Rathaus herrscht reger Verkehr. Die langen Reihen der auf dem Stadtfelde aufgestellten Kraftwagen sind stark zusammengeschmolzen, da die Wagen auf dei verschiedenen Truppenteile und Fuhrparks verteilt worden sind. Abends 1/2 1o Uhr rückt von der Moltkekaserne ein kriegsstarkes Bataillon ins Feld. Zwischen Soldaten und Zuschauern werden Abschiedsgrüße gewechselt.

29.August (Dienstag)
Der Tag verläuft verhältnismäßig ruhig. Auf den Straßen sieht man viel Militär und die Kasernen sind mit Einberufenen neu belegt worden. Heute sollen wieder neue Truppentransporte abgehen. Es geht Zug um Zug.
Im Lebensmittel- und Bezugsscheinamt am Gallberg drängt sich in den ersten Tagen die Bevölkerung zusammen, um die ersten Bezugsscheine anzufordern. Die Geschäfte haben Vorrat genug.

3o.August
Die Hauptgebäude der Landesheilanstalt Schleswig-Stadtfeld werden zum Teil für Lazarettzwecke hergerichtet, die Anstaltsinsassen werden mehr zusammengelegt.

1.September
Die Spannung ist auf das Höchste gestiegen. Der Luftschutz wird aufgerufen und abends die erste Verdunkelung angeordnet. Im Stadtbauamt am Gallberg, beim früheren Brauhaus am Lollfuß, in der katholischen Kirche und im Museumsgebäude Friedrichstr.9 (Schärs Hof) sind öffentliche Luftschutzräume hergerichtet worden.

2.September
Es werden die ersten Nachrichten von den Erfolgen der deutschen Wehrmacht durch Rundfunk verbreitet.

15.September
Es trifft die Nachricht von dem Tod des früheren Landrats, S.A.-Obergruppenführer Jochen Meyer-Quade, der am 10.September 1939 als Leutnant d.R. auf dem östlichen Kriegsschauplatz als einer der Ersten fiel, hier ein. Die Schleswiger Nachrichten bringen am 16.September eine große Todesanzeige. Weitere Anzeigen von Gefallenen folgen bald nach.

6.Oktober
Mehrere Hundert verwundete Polen treffen hier ein und werden im Lazarett Stadtfeld untergebracht. Die Genesenen werden einem Gefangenenlager zugeführt.

3.-9.Oktober
Schleswig prangt in Flaggenschmuck aus Einlaß der Einnahme der Festung Warschau. In der Mittagstunde werden auf Anordnung auch die Glocken sämtlicher Kirchen geläutet.
Im Oktober findet hier die erste Büchersammlung für die Soldaten statt. Es ist ein großer Erfolg, da mehrere Tausend guter Bücher zusammenkamen.
Weiter werden hier Nähstuben eingerichtet und in diesen gesammelte Kleidungsstücke für die minderbemittelte Bevölkerung wieder brauchbar gemacht, Strümpfe für die Soldaten gestopft und dergleichen mehr.

 

 

194o

 

Januar/Februar
Infolge der außergewöhnlichen Kälte, verbunden mit starken Schneeverwehungen, wird der Verkehr wiederholt unterbrochen. Es tritt ein großer Mangel an Brennmaterialien ein. Die Schulen müssen wochenlang schließen. Tagsüber zeigt das Thermometer -2o Grad Celsius und mehr an und fällt nachts sogar auf -3o Grad Celsius (gemessen in der Nacht vom 12. zum 13.Februar bei der Stadtgärtnerei).
Die Wasserleitungen sind größtenteils gefroren, sodaß Wasserwagen durch die Stadt fahren, um die Bevölkerung zu versorgen.

15.Februar
Zur Regelung des Kohlenverbrauchs werden für jeden Stadtteil Kohlenverteilungsstellen eingerichtet, damit jeder wenigstens das notwendigste Brennmaterial erhält. Nach einigen Wochen kann die Regelung aber wieder aufgehoben werden.

7.April (Sonntag)
Am Nachmittag und Abend herrschte auf der durch den Friedrichsberg führenden Hauptverkehrsstraße ein außergewöhnlich reger militärischer Betrieb. Große Truppentransporte auf Kraftwagen, motorisierte Infanterie, Artillerie, Flak (Flugabwehr) und Nachrichtentrupps folgten kurz nacheinander in Richtung Flensburg, sodaß man kaum die Friedrichstraße überqueren konnte. Dieser starke Durchgangsverkehr hielt auch in der Nacht an, desgleichen auch am Montag.
Ferner rollten viele Sonderzüge nach dem Norden, insbesondere in der Nacht zum Dienstag. Am Dienstag vormittag hatten Truppen in der Friedrichstraße gegenüber der Bugehagenschule Rast gemacht, um abzukochen. Der Stadtteil glich dort einem Heerlager.
Am frühen Morgen überflogen auch sehr viele Transport- und Kampfflugzeuge unsere Stadt. Gegen Mittag erfuhr man dann, daß unsere Truppen die dänische Grenze überschritten und auch in Norwegen gelandet seien. Die Nachrichten überstürzten sich dann.

April
Auf dem Gelände der Anstalt Hesterberg wird ein Gefangenendurchgangslager eingerichtet.
Eine Sammlung von kriegswichtigen Metallen (Kupfer, Zinn , Blei, Nickel, Zink usw.) bringt rund 5oo Zentner für Schleswig und Umgebung. Die Zahl der Abliefernden beträgt rund 4ooo. Unter den abgelieferten Gegenständen befindet sich manches schöne alte und neuere Stück, z.B. Pokale von Kegel- und Sportklubs u.dgl.m.

12.Mai
Die erste Sammlung zugunsten des Roten Kreuzes bringt für Schleswig einen guten Erfolg. Rd. 1oooo RM werden gespendet.

6.Juni
In der verflossenen Nacht hatte Schleswig den ersten Fliegeralarm. Der nächste Alarm folgte am 12./13.d.Mts.

14.Juni
Mittags 1 Uhr wird der Einmarsch unserer Truppen in Paris durch Rundfunk gemeldet. Es wird dreitägiges Flaggen angeordnet.

24.Juni
Abends 1o Uhr wird der Waffenstillstand mit Frankreich bekannt. 1.35 Uhr nachts trat Waffenruhe ein. Am 25.Juni wird deshalb 1o tägiges Flaggen und 7 Tage Glockengeläut (1/4 Stunde jeden Mittag) angeordnet.

31.Juli
In der Nacht zum 1.August werden zwei kleine Bomben an der Stadtgrenze bei Klensby auf freiem Felde abgeworfen, ohne Schaden anzurichten.

August
Die Tauwerkfabrik von Oellerking am Margarethenwall arbeitet mit Hochdruck an der Herstellung von Schwimmwesten u.dergl. Auch die Fleischwarenfabrik Rasch A.G. ist seit Kriegsbeginn mit Wehraufträgen stark beschäftigt.

1.-8.September
Der sogenannte “Pferdemarkt” auf dem Stadtfelde wird trotz des Krieges abgehalten. Die wenigen Verkaufsbuden werden stark belagert. Es sind nur zwei Schankzelte, aber viele Fahrbetriebe vorhanden, wie “Fahrt nach dem Monde”, Kettenkarussel, eine Autobahn, russische Schaukel usw. Der Marktplatz ist nicht vollbesetzt.

12.-13.September
In der Nacht wird nach längerer Pause wieder einmal Fliegeralarm gegeben. Mehrere Bomben werden in der Nähe der “Freiheit” abgeworfen und fallen in dei Schlei.

15./16. und 16./17.Oktober
In den beiden mondhellen Nächten wird wieder Fliegeralarm gegeben. Man hört Motorengeräusche und starkes Abwehrfeuer der Flak aus der Umgebung (Klosterkrug und Borgwedel). Einige Tage später wird auch eine englische Brandbombe auf einem Neufeldacker gefunden.

 

 

1941

 

12.Februar
Bürgermeister Dr. Lemke verabschiedet sich im Ständesaal von seiner Gefolgschaft, da er als Leutnant zur Marine-Artillerie einberufen worden ist. Er ermahnt die Gefolgschaft zur treuer Pflichterfüllung im Kriege, jeder an seinem Platz. Heimat und Front seien unlösbar miteinander verbunden.

23.März
Abends wurden an der Stadtgrenze bei Busdorf mehrere Spreng- und Brandbomben abgeworfen. Ein Haus fing Feuer, der Brand wurde jedoch bald gelöscht. Eine Bombe viel auf freies Gelände und richtete an den nächsten Häusern nur geringen Schaden an.

11.April
Nach einem Großangriff auf Kiel in der Nacht vom 8. zum 9.April werden zahlreiche Verwundete von Kiel nach Schleswig transportiert. Kiel hatte über 200 Tote zu beklagen. Zahlreiche Kieler Flüchtlinge finden bei Verwandten und Bekannten in Schleswig Aufnahme.

26.April
In den beiden verflossenen Nächten hatte Schleswig nach längerer Pause wieder Fliegeralarm. Es wurden hier auch einige Sprengbomben abgeworfen. Zwei Bomben (Blindgänger) fielen an der oberen Allee und im Garten südlich der Schützenkoppel nieder, ohne Schaden anzurichten.
Die dritte Bombe hingegen riß den Bürgersteig vor dem Reventlou-Beseler-Denkmal im Lollfuß auf, zerstörte die unterirdische Fernsprechleitung und richtete an den benachbarten Häusern Schaden an. Das Wohnhaus Lollfuß 67 mußte geräumt und abgestützt werden.
Das Nachbarhaus (Möbeltischlerei von Köster) hatte gleichfalls größeren Schaden erlitten. Weiter wurde ein kleiner Friseurladen im Hause Lollfuß 82 völlig zerstört, sowie zahlreiche Fensterscheiben eingedrückt.
Eine vierte Bombe traf das Hinterhaus (Wekstatt) von Lollfuß 75 und zertrümmerte es vollständig. Glücklicherweise gab es weder Tote noch Verwundete.
Eine 5.Bombe fiel schließlich in der Nähe von der Schleihalle in die Schlei und zertrümmerte viele Fensterscheiben an der Schleistraße und im Lollfuß zwischen Hotel Stadt Hamburg und Schleihalle.
Der Gesamtschaden hat nach der späteren Schätzung 17oooo RM betragen.

6.Juni
Das Bismarck-Denkmal auf dem Rathausmarkt wird abgebaut, um Bronze für Kriegszwecke zu gewinnen.

2o.Juni
Auch das sogen. Kanonen-Denkmal (Kaiser Wilhelm I.-Denkmal) in der Nähe des Regierungsgebäudes wird dem Kriege geopfert. Eins der Kanonenrohre, erbeutet 187o/71 vom 1o.Armeekorps, wird dem städtischen Museum überwiesen. Die alten Kanonenrohre bestanden nur aus Eisen. Es wurde die Gelegenheit benutzt, um das nicht zusagende Denkmal zu beseitigen.

1.August
Oberst Ramcke, ein Schleswiger, wurde zum Generalmajor der Luftwaffe befördert. Er nahm als Führer eines Fallschirmjäger-Regiments an der Eroberung Kretas teil und wurde dafür mit dem Ritterkreuz ausgezeichnet.

16.September
In der verflossenen Nacht wurde in den Wiesen am Walde hinter dem Restaurant Waldschlößchen eine Sprengbombe abgeworfen, ohne Schaden anzurichten.

29.September
In der Nähe des Fliederhorstes auf der Freiheit verunglückt ein Flugzeug. das durch Personal einer Hamburger Werft nachgesehen werden sollte, durch Absturz in die Schlei. Sämtliche 3 Insassen kamen dabei ums Leben.

1.November
In der verflossenen Nacht wurden zwei Bomben in der Nähe der Möweninsel abgeworfen, ohne Schaden anzurichten.

1o.November
Eine allerorts durchgeführte Flaschensammlung zur Beschaffung der für die Weihnachtsbescherung der Truppen erforderlichen Flaschen erbrachte in Schleswig rd. 2oooo Stück.

 

 

1942

 

12.Februar
Wegen starker Schneeverwehungen blieben einige Züge in der Nähe von Owschlag im Schnee stecken. Es wurde deshalb der Katastrophenschutz von Schleswig zur Freilegung der Züge aufgerufen.

15.Februar
Die Anstalt Hesterberg wird für Lazarettzwecke freigemacht. Das Landesjugendheim wird nach Neufelder Weg 10 (Nebenanstalt der Anstalt Stadtfeld) verlegt. Die Zahl der in Schleswig untergebrachten Verwundeten steigt auf 178o.

März
Infolge des anhaltenden strengen Winters hatte das Eis der Schlei eine Dicke von 58-68 cm erreicht. Der größte Tiefstand des Thermometers lag bei -2o Gr.C.

12.April
Die Domglocken werden bis auf die aus dem 14.Jahrh. stammende Marienglocke für Kriegszwecke beschlagnahmt. Am heutigen Sonntag läuteten sie zum letzten Male.

1o.Juni
Die Lebensmittelversorgung ist äußerst angespannt. Ab heute werden je Person und Woche auf Karten verabfolgt :
2ooo g Brot, 3oo g Fleisch, 17o g Butter und Fett, 47 g Käse, 3o g Quark, 12 g Speiseöl, 225 g Zucker, 23o g Nährmittel und 1 Ltr. Magermilch (1/8 L je Tag).
Die Kartoffeln sind infolge des strengen Winters sehr knapp geworden. Es gibt nur 5 Pfund je Person und Woche (vorübergehend sogar nur 3 Pfund).

Juni
Die Reichsspinnstoffsammlung hatte auch in Schleswig einen großen Erfolg. Es kamen unendlich viele getragene Kleidungsstücke zusammen. Nach Abschluß der Sammlung war die Turnhalle der Bugenhagenschule fast ganz gefüllt. Die besser erhaltenen Stücke wurden der Reichssammelstelle zugeführt, während ein anderer Teil für bedürftige Einheimische zurückblieb. Auch zwei Waggons Lumpen kamen zusammen.

16.Juli
Abends gegen 1o Uhr wurden einige Sprengbomben bei Pulverholz in der Nähe des Bahndamms abgeworfen. Es wurden mehrere Häuser beschädigt, sowie 3 Kühe und 1 Pferd auf der Weide getötet. Der Abwurf galt einem das Bahngeleise passierenden Güterzug. (Vom Stadtbauamt wurden 7o Anträge mit einer Schadenssumme von 2o543 RM bearbeitet.)

27.Juli
In der Nacht zum 27.Juli hatte Schleswig nach einjähriger Pause wieder Fliegeralarm. Bombenabwürfe erfolgte hier jedoch nicht. Die Angriffe der einfliegenden Flugzeuge hatten zur Hauptsache Hamburg gegolten, wo die Bevölkerung große Verluste und umfangreiche Sachschäden zu beklagen hatte. 37 Flugzeuge sollen abgeschossen worden sein.

25.August
Die Bronzefiguren vom Reventlou-Beseler-Denkmal vor dem Amtsgericht sind für Kriegszwecke in Anspruch genommen worden. Das Gesamtgewicht der Figuren betrug 5 Ztr.

15.November
Der aus Schleswig stammende Generalmajor Ramcke, der sich auf den nordafrikanischen Kriegsschauplatz auszeichnete, erhielt das Eichenlaub zum Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes.
Im Bericht des Oberkommandos der Wehrmacht vom 9.11.1942 heißt es, daß ein deutscher Verband unter Führung des Generalmajors Ramcke, der vorübergehend abgeschnitten war, dem Feinde in dreitägigem Kampf schwere Verluste zufügte, eine größere Anzahl von Kraftwagen erbeutete, sich mit ihrer Hilfe beweglich machte und so den Anschluß an die Hauptkräfte wiedergewann.

1.Dezember
Von den Gefolgschaftsmitgliedern der Stadtverwaltung wurden bisher nachstehende Beamten mit dem Eisernen Kreuz 1.Klasse ausgezeichnet: Stadtbaurat Dr.Wachhausen, Stadtgeometer Wilh. Dräger, Stadtsekretär Wilhelm Münster und Stadtinspektor Heinrich Amberg. Die drei Erstgenannten sind später gefallen.

 

 

1943

 

17.Januar
Am Sonntagabend kurz vor 10 Uhr konnte über Schleswig ein Luftkampf zwischen einem deutschen Nachtjäger und einem britischen Bomber beobachtet werden. Nach kurzem Kampf war der Brite erledigt und stürzte bei Ellingstedt ab. Die 6 Insassen fanden dabei den Tod.

6.April
Das Germania-Denkmal an der oberen Michaelis-Allee wurde heute beseitigt und Kriegszwecken geopfert. Die unschöne und unscheinbare Germania bestand allerdings nur aus Zinkguß. Das Denkmal war für die im Kriege von 187o/71 gefallenen Söhne der Stadt Schleswig errichtet und trug folgende Namen :

Leutnant E.A.C.de Fontenay, +18.8.7o
Dr.J.H.Tadey, +26.9.7o
Vice-Feldw. H.F.v.Hagen, +10.12.7o
Unteroff. H.F.Höber, +18.8.7o
Gefreiter N.M.Th.Jensen, +5.9.7o
Füselier J.H.P.Bruhn, +19.8.7o
Grenadier T.L.J.Caspersen, +20.1.71
Grenadier A.Jürgensen, +30.8.7o
Musketier C.Krebs, +2.12.7o
Feselier M.J.Lorenzen, +18.8.7o
Musketier F.Paasch, +16.9.7o
Füselier L.C.T.Wieck, +29.8.7

Mai
Durch die Anordnung des totalen Krieges wurden viele entbehrliche Geschäfte geschlossen und gleichartige Geschäfte zusammengelegt, um Kohlen, Strom und Personal zu sparen, sowie Unterkunftsräume für Ausgebombte zu erhalten.

29.Juli
Infolge der Zerstörung großer Teile von Hamburg sind in Schleswig bisher rund 2000 Obdachlose zugereist und hier untergebracht worden. Ein Teil der Schleswiger Feuerwehr nahm mit der Motospritze an den Löscharbeiten in Hamburg teil.

 

 

1944

 

9.April
Von einem Feindflugzeug wurde auf Personen geschossen. Bei der Strandhalle gab es zwei Verwundete und auf dem Flugplatz Klosterkrug einen Toten.

19.April
Ein auf dem Bahngleis am Karpfenteich stehender Güter- und Munitionszug wurde beschossen. Verletzt wurden 3 Soldaten. Es entstanden Sach- und Gebäudeschäden in der Nachbarschaft.

1o.Mai
Auf dem Lagerplatz der Holzhandlung von Söhrn an der Busdorfer Straße brach in der Nacht ein Feuer aus, dem das ganze Holzlager zum Opfer fiel. Es wurde Sabotage vermutet.

29.Mai (2.Pfingstag)
Rückkehrende amerikanische Flugzeuge warfen eine Anzahl kleinerer Bomben auf Stadtgebiet ab. Die ersten Bomben fielenin die Baumschule von Lemper an der Berliner Straße, weitere auf das Anstaltsgelände am oberen Hesterberg, ohne Schaden anzurichten.Nur zahlreiche Fensterscheiben wurden zertrümmert und Dachschäden verursacht.

22.Juli
Auf dem Gelände von Lempers Baumschulen an der Berliner Straße stürzte ein deutsches Flugzeug ab. Zwei Soldaten wurden dabei verletzt. Am 11.Dezember erfolgte ein weiterer Absturz am Domziegelhof. Auch hier wurden zwei Personen verletzt. Da das Flugzeug auf die Fahrbahn stürzte, war der Gebäudeschaden nur gering.

August
Wegen der zahlreichen Angriffe auf Kiel erfolgte Mitte des Monats die Verlegung der Medizinischen und Nervenklinik von Kiel nach Schleswig. Weitere Kliniken sollen folgen. Die Chirurgische Klinik wurde später (1.Febr.1945) im Stadtkrankenhaus untergebracht.

Ende August wurden, wie anderswo, so auch in Schleswig die früher in der KPD und SPD führend tätig gewesenen Personen verhaftet und in Konzentrationslager überführt. Ein Teil der Verhafteten, insbesondere die älteren, wurden jedoch bald wieder auf freien Fuß gesetzt.

15.September
Der größte Teil der arbeitsfähigen männlichen Bevölkerung einschließlich der älteren Jahrgänge der Hitler-Jugend werden zu Schanzarbeiten an der Westküste eingesetzt. Dort wird der sogenannte “Friesenwall” gebaut. Es werden auch Panzergräben von 4m Breite und 2,75m Tiefe (unten spitz zulaufend) ausgehoben. Anschließend wurden gleiche Gräben bei Schleswig und vor dem Dannerwerkwall bis Hollingstedt gebaut. Man merkt, daß der Krieg in ein kritisches Stadium eintritt.

Oktober
Die schon früher durch Brand stark mitgenommene Universitätsbibliothek wird von Kiel nach Schleswig überführt, und vorläufig im Dom untergestellt. Später wurde ein Teil der Bibliothek im Bischofshof untergebracht. Im Obergeschoß des Amtsgerichts wird Anfang November ein Lesesaal eingerichtet.

16.Oktober
Die Brotration für Erwachsene ist auf 15oo g Roggenbrot und 55o g Weißbrot wöchentlich gekürzt worden. Auch die Fettration ist stark gekürzt (auf 15o g wöchentlich) und dafür die Fleischmenge etwas erhöht worden. Ab 13.Nov.1944 werden vereinfachte Lebensmittelkarten eingeführt, bestehend aus Grund- und Ergänzungskarte (je nach Lebensalter verschieden).

18.Oktober
Der Aufruf zum Volkssturm wird heute am Jahrestage der Völkerschlacht bei Leipzig erlassen und dadurch alle arbeitsfähigen Männer von 16-6o Jahren zur Verteidigung der engeren Heimat und zum Dienst mit der Waffe aufgerufen. Am 8.Nov.d.J. erfolgte in Schleswig bereits die Vereidigung von 12oo wehrfähigen Männern und Jünglingen aus Schleswig und Busdorf auf dem Platz an der Michaelisallee.

Nov./Dez.
Die Brennstofflage wird besonders kritisch, da die Kohlenzufuhren aus dem Ruhrgebiet ausbleiben. Die Haushaltungen werden nur mit 6o% der vorjährigen (bereits gekürzten) Zuweisung beliefert.
Das Gaswerk kann nur an wenigen Tagen Gas liefern. Es droht sogar eine völlige Stillegung des Werkes. Es werden deshalb Vorbereitungen für eine Massenverpflegung derjenigen Haushaltungen getroffen, die ausschließlich auf Gas angewiesen sind.
Zeitweilig setzt auch die Belieferung mit elektr. Strom aus. Abwechselnd wird für die einzelnen Stadtteile die Stromzufuhr für mehrere Stunden des Abends gesperrt. Die Arbeitszeit wird meistens durchgehends festgesetzt, um Strom einzusparen. Die Ladengeschäfte schließen um 17 Uhr.
Auch die Wohnfrage ist durch den Zuzug vieler Ausgebombter, besonders aus Hamburg und Kiel, brennend geworden. Jeder verfügbare Raum wird ausgenutzt, auch Dachgeschosse zu Wohnungen ausgebaut. Viele Ausgebombte sind bei Verwandten zusätzlich untergebracht. Es fehlt aber auch an Möbeln und Einrichtungsgegenständen.
Vom Wirtschaftsamt ausgestellte Bezugsscheine können nur nach und nach beliefert werden. Die Warenverknappung ist außergewöhnlich groß, das Geld im allgemeinen noch reichlich.
Sogar beim Gärtner (Blumenverkauf) und beim Damenfriseur bilden sich Schlangen. Bei den Kinos ist der Andrang so stark, daß die Polizei Ordnung schaffen muß. Es ist sozusagen eine Katastrophenstimmung. Man ahnt, daß der Krieg seinem Ende entgegengeht, und zwar einem schlechten.

Dezember
Vom Personal der Stadtverwaltung und den städtischen Betrieben stehen 112 Mann im Kriegsdienst. Neun fielen an der Front. Die Verwaltung ist von Personal entblöst. Der Dienst wird von älteren Beamten und Angestellten, sowie von Frauen und jungen Mädchen wahrgenommen. Nur die wichtigsten Sachen können erledigt werden.
Bürgermeister Dr.Lemke, Oberleutnant zur See und Kommandant eines Vorpostenbootes, wurde mit dem Eisernen Kreuz I.Klasse ausgezeichnet. Am 18.Dez.1944 wird der Bürgermeister für zwei Monate beurlaubt und nimmt vorübergehend die wichtigsten Dienstgeschäfte wahr, wie Unterbringung der Kieler Kliniken in Schleswig, Bau von Luftschutzstollen usw.
Der Stadtbaurat Dr.Wachhausen erhielt im Juli d.J. als Korvettenkapitän und Kommandant einer U-Bootjägerflottille das Deutsche Kreuz in Gold. Später ist er gefallen.
Nach den in den Schleswiger Nachrichten veröffentlichten Todesanzeigen sind bis Ende 1944 rund 6oo Personen aus der Stadt Schleswig gefallen. Hunderte werden noch vermißt und dürften den Toten zuzuzählen sein. Im 1.Weltkriede hatte die Stadt rd.5oo Gefallene aufzuweisen.
Luftschutz. Im verflossenen Jahr (1944) wurden rd.1ooo Dachböden mit feuerhemmenden Schutzmitteln angestrichen. Ferner wurden zwei Feuerlöschteiche angelegt, und zwar einer beim Wasserturm und einer hinter den Häusern an der Schanze. Am oberen Stadtfeld wurde ein 80 Personen fassender Luftschutzbunker gebaut.
Mit dem Bau von zwei größeren Luftschutzstollen am Lollfuß, nämlich bei der Lollfußtreppe und beim Amtsgericht in den Berg hinein soll Ende des JAhres begonnen werden, da die in den ersten Jahren ausgebauten öffentlichen Luftschutzkeller den jetzigen Ansprüchen nicht mehr genügen.
Die technische Nothilfe und die Feuerwehren wurden in den verflossenen Jahren wiederholt in Kiel, Neumünster und Hamburg eingesetzt. Auch in der Umgebung von Schleswig gab es hin und wieder durch Brandbomben verursachte Brände zu löschen.

 

 

1945

 

22.Januar
In Schleswig treffen die ersten Flüchtlinge aus dem Osten ein. Die Bugenhagenschule dient – wie bisher schon für Ausgebombte – als Auffanglager.

25.Januar
Stadtrechtsrat Mielke ist im Alter von 6o Jahren verstorben. Im Ständesaal fand eine Trauerfeier statt. Bürgermeister Dr.Lemke zeichnete ein Lebensbild des Verstorbenen und würdigte insbesondere Mielkes Verdienst auf dem Gebiete des Fischereirechts.

3o.Januar
Domschule und Lornsenschule sind für Lazarettzwecke geräumt worden. Der notwendigste Unterricht findet in verschiedenen Räumen, wie Marthahaus, Nordmarkbücherei, Kreis- und Stadtsparkasse usw. statt. Die Gallbergschule ist als Marinelazarett in Anspruch genommen worden. Voerher diente die Schule als Hilfkrankenhaus für Ausgebombte. Die Lollfußer Mädchenschule an der Lutherstraße ist als Infektionsabteilung des Stadtkrankenhauses hergerichtet worden. Die Schüler gehen abwechselnd nach der Wilhelminenschule, um kurzen Unterricht und Hausaufgaben zu erhalten.

1.Februar
Wegen Kohlenmagels wird der Stromverbrauch stark eingeschränkt. Ein Haushalt von zwei Personen darf z.B. nur 2o KW monatlich für Beleuchtungszwecke verbrauchen. Von 7.3o bis 18 Uhr ist jede Stromentnahme verboten. Rundfunkgeräte dürfen während dieser Zeit nur noch zum Nachrichtendienst eingeschaltet werden. Büros und Ladengeschäfte dürfen überhaupt keine Strom entnehmen. Gewerbliche Betriebe haben den Stromverbrauch um 5o% einzuschränken.

3.Februar
Es wird angeordnet, daß die Lebensmittelrationen der beiden nächsten Perioden insgesamt eine Woche länger, also statt 8 nun 9 Wochen reichen müssen.

5.Februar
In Schleswig treffen etwa 8oo Flüchtlinge aus den Ostgebieten des Reiches ein. Die vorläufige Unterbringung erfolgt in Notquartieren und auf Schloß Gottorf. Der größte Teil dieser Flüchtlinge wird in den nächsten Tagen weitergeleitet und im Kreise Schleswig untergebracht. Etwa 2oo Personen bleiben in der Stadt.

7.Februar
Die Kreisbahn stellt ihren Betrieb wegen Kohlenmangels vorübergehend ein.
An der König- und Schleistraße, sowie am Damm werden sämtliche Bäume, an der Flensburger Straße hingegen jeder zweite Baum gefällt, um Holz zum Bau von Luftschutzstollen und andere Zwecke zu gewinnen.
Weitere Fällungen an anderen Stellen sollen folgen.

11.Februar
Es treffen wiederum 8oo Flüchtlinge aus den Ostgebieten ein, um bald darauf im Kreise untergebracht zu werden. Ein kleiner Teil verbleibt in der Stadt.

22.Februar
Nachts werden zwei kleinere Bomben in der Nähe des Reichsbahnhofs abgeworfen. In der Nachbarschaft werden dadurch zahlreiche Fensterscheiben zertrümmert und Dächer beschädigt.

26.Februar
In Schleswig treffen Panzer- und Nachrichtentruppen ein und bezeihen die Kasernen. Die bisherige Garnison war Cottbus. Die Schleswiger Infanterie wurde nach dem Norden verlegt.

27.Februar
Es treffen immer weitere Flüchtlinge aus dem Osten hier ein. Die meisten werden im Kreisgebiet untergebracht. Schleswig beherbergt jetzt schon rd.5000 Ausgebombte und Flüchtlinge.

4.März
Es treffen wiederum mehrere Hundert Flüchtlinge aus dem Osten ein und werden bis zur Weiterbeförderung in “Hohenzollern” untergebracht. Es ist ein bemitleidenswerter Treck, der am anderen Morgen auf dem Lande untergebracht wird.

6.März
Heute ist schon wieder ein Flüchtlingstreck hier eingetroffen und im Restaurant “Hohenzollern” untergebracht worden. Das Auffanglager in der Bugenhagenschule und die Turnhalle in der Wilhelminenschule sind wegen Seuchengefahr gesperrt. In der Wilhelminenschule sind lettische Flüchtlinge einquartiert.

15.März
Es wird jetzt der Jahrgang 1929 (also 16jährige !) gemustert und die Tauglichen bald darauf zum Wehrdienst, hauptsächlich als Flakhelfer, einberufen.

26.März
Zahlreiche Flüchtlingstrecks kommen mit ihren Gespannen durch die Stadt, besonders durch den Friedrichsberg, um nach Norden, bzw. Angeln weiterzuziehen und dort endlich eine Bleibe zu erhalten. Die Trecks sind schon mehrere Wochen unterwegs und kommen aus Westpreußen und Pommern.

1o.April
Flüchtlinge über Flüchtlinge treffen hier ein. Dieselben sind bald nicht mehr unterzubringen.

12.April
Die Stromversorgung ist vorübergehend ausgefallen. Nur noch die lebenswichtigen Betriebe werden mit Strom versorgt.

13.April
Die Kieler Universität wird nach Schleswig verlegt. Das Schleswig-Haithabu-Museum sowie Räume der Landesheilanstalt sind dafür beschlagnahmt. Anfang Mai sollen die Vorlesungen notdürftig wieder aufgenommen werden.

2o.April
Gestern abend überflogen, wie schon oftmals vorher, Hunderte von Bombern in geschlossener Formation die Stadt. Es wird keine Abwehr mehr eingesetzt, da es unseren Jägern an Betriebsstoff fehlen soll, auch gegen die massierten Einflüge jeder Widerstand aussichtslos erscheint.
Gestern kamen rd. 9oo Verwundete aus Ostpreußen hier an. Die Unterbringung erfolgte vorläufig in der Moltkekaserne und später in verschiedenen Lazaretten. Die Stimmung ist schlecht.

21.April
Die Züge verkehren nur noch dreimal wöchentlich. In einer Woche wird der Verkehr ganz eingestellt werden, da es an Kohlen fehlt.

24.April
Ein Ritterkreuzträger, der von einem als streitsüchtig bekannten Mann angepöbelt und tätlich angegriffen wird, griff zur Waffe und schoß den Angreifer nieder. Der Vorgang spielte sich in der Fischbrückstraße ab.

27.April
In der näheren Umgebung der Stadt werden an den Zugangsstraßen Panzersperren errichtet. (Husumer und Flensburger Landstraße, sowie bei Busdorf und St.Jürgen).
Die schlechte Kriegslage bringt immer weitere Flüchtlinge aus dem Süden und Osten nach Schleswig. Die Auffangläger im Stadttheater, Hohenzollern und in der Bugenhagenschule werden nicht mehr leer. Eine Unterbringung wird immer schwieriger. Der Feind steht an der unteren Elbe und in Mecklenburg. Die Verbindung mit dem Reich wird also bald abgeschnitten sein.

1.Mai
Die Schleswiger Nachrichten stellen den Betrieb ein wegen Strommangel. Auch fehlt es an Papier.

2.Mai
Der Tod Hitlers wird bekannt. Großadmiral Dönitz wird als Nachfolger bestellt. Ein unaufhörlicher Strom von Soldaten und Flüchtlingen wälzt sich durch die Friedrichstraße nach dem Norden. Die Zahl der Kraftwagen ist unübersehbar. Lübeck ist schon besetzt. Wilde Gerüchte sind im Umlauf. Der Krieg ist verloren !

3.Mai
Auf dem hiesigen Kreisbahnhof wurde ein Waggon mit Militärbekleidung sowie ein Waggon mit Briketts geplündert. Auch von anderen Stellen der Stadt, wie Proviantamt und den nicht mehr geschützten militärischen Lägern, werden Ausschreitungen gemeldet.

4.Mai
Seit heute früh ziehen deutsche Militärpatrouillen durch die Straßen, um Ruhe und Ordnung aufrecht zu erhalten. Vor den Lebensmittelgeschäften, insbesondere bei den Bäckereien, bilden sich lange Schlangen, um noch schnell etwas einzukaufen.

5.Mai
Seit heute morgen ist im Bereich der britischen Armee und damit auch in Schleswig-Holstein Waffentuhe vereinbart.
Um 8 Uhr ist Betriebsappel im Rathaus. Der stellvertretende Bürgermeister, Stadtverwaltungsrat Lange, gibt einen kurzen Überblick über die ernste Lage und mahnt zur Ruhe und Besonnenheit. Die Verwaltung gehe weiter. Gegen Ausschreitungen würde mit aller Strenge eingeschritten werden.

6.Mai
Die ersten englichen Quartiermacher der kommenden Besatzungstruppe sind hier eingetroffen und haben im Hotel Stadt Hamburg Wohnung genommen. Neben dem Hotel steht ein englischer und ein deutscher Doppelposten. Der Bürgermeister ordnet im Auftrage der Besatzungsmacht die Ablieferung sämtlicher Schußwaffen und Fotoapparate an. Von abends 22 Uhr bis morgens 6 Uhr darf niemand die Straße betreten.

7.Mai
Mittags spricht Großadmiral Dönitz im Rundfunk und gibt die bedingungslose Kapizulation auf allen Kriegsschauplätzen bekannt. Dieser erschütternden Meldung folgt eine Funkstille von 3 Minuten.

8.Mai
Die Straßen der Stadt sind von Einheimischen, Flüchtlingen und Ausländern stark belebt. Unsere Soldaten haben die Waffen ablegen müssen. Große Waffenhaufen türmen sich im Schloßhof auf. Die entlassenen Kriegsgefangenen machen sich in den Straßen breit. Einzelne Auschreitungen werden gemeldet. Die Zahl der englischen Soldaten wird immer größer.

1o.Mai
Zahlreiche englische Panzer- und Kraftwagen mit Infanterie passieren die Stadt und fahren nach Norden weiter. Der Stadtverkehr muß die Wagenhalle am Stadtfeld sofort räumen. Weiter werden zahlreiche Gebäude und Wohnhäuser von den Besatzungstruppen beschlagnahmt, darunter Ravens Hotel, das Lichtspieltheater “Capitol”, die Höhere landwirtschaftl. Lehranstalt, die neue Turnhalle an der Bellmannstraße sowie zahlreich Villen zur Unterbringung der englischen Offiziere.
Der Dom ist mit dem aus dem Osten zurückgekehrten Soldaten belegt worden, da andere Unterkünfte fehlen. Tagsüber lagern die Soldaten meistens in Zelten auf dem rasen, da es im Innern der Kirche zu kalt ist.
Die Moltkekaserne ist seit einigen Wochen in ein Behelfslazarett für zurückgeführte Verwundete verwandelt. Auch die “Schleihalle” wird seit etwa 14 Tagen als Lazarett benutzt.

12.Mai
Schloß Gottorf mit sämtlichem Zubehör ist von der Besatzungsmacht beschlagnahmt worden. In der Wagenhalle am und auf dem Stadtfeld selbst ist der Fuhrpark untergebracht worden. Für unsere Soldaten ist heute Ausgehverbot erlassen.
Der Hafen liegt voller Schiffe. Es sind zum größten Teil Flüchtlingsschiffe aus den Ostseehäfen und kleinere Marinefahrzeuge.
Die Schleswiger Nachrichten müssen nach wenigen Tagen ihr Erscheinen abermals einstellen. Auch die Post hat den Betrieb bis auf weiteres schließen müssen. Die Beamten haben Urlaub. Die Reichsbahn führt nur noch den Güterverkehr durch.

14.Mai
Die Moltkekasernen mußten für die Besatzungstruppen geräumt werden. Die dort in den Kellern noch lagernden Kohlenvorräte wurden ausgeleert (geplündert). Hunderte kommen mit Eimern, Säcken, Körben und Blockwagen, um etwas zu erobern. Kinder laufen mit Blasinstrumenten, Autoreifen, Gasmasken, Stahlhelmen usw. umher. Deutsches Heeresgut ist auf einmal herrenlos. Ein trauriges Bild !
Der Durchgangsverkehr nach dem Norden ist noch immer groß. Schleswig gleicht einer internationalen Stadt, in der sich viele Völker Europas ein Stelldichein geben.

15.Mai
Im Ständesaal des Rathauses werden von den Besatzungstruppen hin und wieder Gerichtssitzungen abgehalten. Ein Posten zieht dann im Vorflur auf. Vor dem Rathaus steht seit der Entwaffnung unserer Truppen immer noch ein Doppelposten vom Panzer-Regiment Deutschland mit weißer Armbinde und Gewehr. Nur zwei Tage lang standen sie ohne Gewehr Posten.
Die Flensburger Straße, Berliner Straße und Schubystraße erhalten ihre Namen wieder. Die neue Hans-Bernsau-Straße am Kolonnenweg erhält die Bezeichnung “Am alten Wall” (als ein Teil des alten Dannewerks).

16.Mai
Der stellv. Bürgermeister Stadtverwaltungsrat Lange, Landrat Kolbe sowie der Kreisleiter der NSDAP Carstens und die meisten Ortsgruppenleiter sind in der verflossenen Nacht verhaftet worden.
Der Seefliegerhorst auf der Freiheit, das Gewese Luisenbad nebst Badestrand, die Bootsschuppen des Schleisegelklubs und von Jochimsen nebst “Strandhalle” sind von den Besatzungstruppen beschlagnahmt worden. Die Besitzer der Segelböte müssen ihre Boote zur Verfügung stellen. Die Michaeliskirche dient als englische Garnisonkirche.

17.Mai
Die NS.-Volkswohlfahrt wird von dem städtischen Wohlfahrtsamt übernommen. Die wichtigsten Aufgaben, wie z.B. die Kindergärten, werden weitergeführt. In der Jugendherberge am Sportplatz wird später ein Entbindungsheim hergerichtet.

19.Mai
Alle marschfähigen Soldaten werden in Lagern außerhalb der Stadt, insbesondere Busdorf und Treia, zusammengefaßt, um von dort aus in andere größere Läger abtransportiert zu werden. Es sind traurige Kolonnen, die ihr Handgepäck zum Teil auf selbstgefertigten kleinen Handwagen mit sich führen.
Am Nachmittag wird der Steuer- und Wirtschaftberater Dr.Hans Hinrichs, ein geborener Schleswiger, vom Regierungspräsidenten als kommissarischer Bürgermeister eingesetzt. Als Beigeordneter und stellvertretender Bürgermeister wurde der Leiter der dänischen Schule in Schleswig, Svend Johannsen, eingesetzt. Zu neuen Stadträten sind bestellt worden :
Rechtsanwalt Weiland, Bankdirektor Bannier, Bahnbeamter Hermann Clausen, Lederarbeiter Weiß, Kaufmann Johannes Hagge und Lehrer Steppat.

20.Mai
Die Kasernen in der Moltkestraße sind von russischen Soldaten (früheren Kriegsgefangenen) bezogen worden. Auf dem Hauptgebäude weht die rote Sowjetflagge mit Hammer und Sichel. Der Heimtransport der Russen soll allmählich erfolgen.

1.Juni
Vei den Behörden werden zahlreiche Entlassungen von früheren aktiven Parteimitgliedern (politischen Leiter u.dergl.) vorgenommen.

3.Juni
Das Restaurant “Hohenzollern” wird von den Russen beschlagnahmt. Selbst die Wohnungen in dem oberen Stockwerken mußten sofort geräumt werden. (Der Hotelbesitzer Lüth hat sich das Leben genommen).

6.Juni
Es werden noch laufend Wohnungen von der Besatzungsmacht beschlagnahmt. Meistens darf nur das Notwendigste aus den Wohnungen mitgenommen werden. Die Hinausgesetzten finden bei Verwandten und Bekannten notdürftig Unterkunft.

13.Juni
Von der jetzt unter britischer Aufsicht stehenden Reichspost werden erst ab heute wieder Postkarten zur Versendung innerhalb der Provinz, Hamburgs und des westlichen Teils von Mecklenburg zugelassen. Von Behörde zu Behörde ist seit etwa 8 Tagen Briefpost gestattet.

15.Mai
Der Lederarbeiter Joh. Weiß wird als Leiter des Arbeitsamtes eingesetzt.

1.Juli
Die meisten früheren Kriegsgefangenen, insbesondere Russen, haben Schleswig verlassen. Polen sowie einige Serben, Rumänen und Italiener sind noch zurückgeblieben.

6.Juli
Postkarten und Briefe geschäftlichen Inhalts sind jetzt in der ganzen britischen Besatzungszone zugelassen.

15.Juli
Aufhebung des Verbrüderungsverbotes durch die Militärregierung.

2o.Juli
Die Schülerzahl der dänischen Schule ist nach “Flensborg Avis” von 45 auf 3oo gestiegen. Der dänische Verein soll auf 6oo Mitglieder angewachsen sein. Alles eine Folge der jetzt von dänischer Seite verteilten Lebensmittelpakete. In der Schloßkirche wird seit etwa einem Monat dänischer Gottesdienst abgehalten.

5.August
Bei der Stadtverwaltung werden weitere 4 Stadtinspektoren wegen früherer Zugehörigkeit zur NSDAP entlassen. Der Betrieb leidet sehr darunter.

11.August
Es kehren immer mehr deutsche Soldaten in die Heimat zurück. In Brekling ist für dieselben eine Entlassungsstelle eingerichtet worden.
Schleswigs Einwohnerzahl beträgt jetzt 26213. Dazu kommen noch 9767 Flüchtlinge und Evakuierte. Insgesamt sind es also rund 36ooo Personen.

1.Oktober
Der Stadtverkehr hat den Betrieb wieder aufgenommen. Sämtliche Autobusse fahren bis zu den Hühnerhäusern als Endstation.

12.Oktober
Verbot des Flaggens mit dänischen und schleswig-holsteinischen Farben.

Ab 15.Oktober
Rationierung von Gas und elektrischem Strom auf Anordnung der Militärregierung. Jeder Mehrverbrauch von 1 cbm Gas wird mit 4o,- RM und von 1 KWh Strom mit 1oo,- RM bestraft.

17.-2o.Oktober
Sammlung von Wäsche und Bekleidungsstücken für die hier befindlichen Ausländer und entlassene Soldaten. Erfolg gut.

16.-24.Oktober
Sammlung von Fensterglas für die zerstörten Städte. In Schleswig wurden rd.4ooo Scheiben oder rd.1oooqm gesammelt und nach Kiel gebracht.

4.November
Zwangsweise Abgabe von Fahrrädern, angeblich für Bergarbeiter. Die Stadt Schleswig hat 22o Fahrräder zu stellen, die von Fachleuten abgeschätzt und danach bezahlt werden.
Die Kapelle im Graukloster ist den lettischen und russischen Flüchtlingen griechisch-orthodoxer Konfession zur Verfügung gestellt worden. Das Gestühl ist hinausgesetzt, die Kanzel erniedrigt und der Altar umgebaut worden. So sind die Klosterinsassen um ihre Kapelle gekommen, die sie insbesondere bei Beerdigungen und zur Weihnachtsfeier benutzten. Ein Gottesdienst wurde seit 1933 nicht mehr dort abgehalten.

12.November
Viele Hundert jüngere Leute werden nach dem Gr.Baumhof beordert zwecks Einsatz als Kumpel im Bergbau. Die bezahlten Werber hatten, wie Beteiligte berichteten, einen schweren Stand und wurden immer wieder von Zwischenrufen unterbrochen. Von einer freiwilligen Verpflichtung konnte keine Rede sein. Es musste kurzerhand eine Dienstverpflichtung für unbestimmte Zeit unterschrieben werden. Etwa eine Woche später wurden 6oo Personen aus dem hiesigen Kreise nach Recklinghausen abtransportiert.

15.November
Auf Anordnung der Militärregierung wird zur freiwilligen Abgabe von Möbeln aufgefordert. Erfolg zufriedenstellend.

2o.November
Die Zahl der Abonnenten der Zeitung “Flensborg Avis” ist nach zuverlässiger Quelle auf über 1ooo gestiegen, gegenüber früher nur rd. 1oo. Die Zeitung wird insbesondere der Papierknappheit wegen abonniert, da die Zeitung der Militärregierung (Kieler Kurier) nur zweimal wöchentlich erscheint.

23.November
Kindermord im Friedrichsberg. Ein vor einem Geschäft im Friedrichsberg abgestellter Wagen mit Kind wird entführt und das Kind später im Bach am Georg Pfingstenweg aufgefunden. Als Täter werden zwei Kinder von 6 und 7 Jahren ermittelt, die sich des kleinen Kindes entledigt hatten, um mit dem Wagen spielen zu können.

1.Dezember
Der frühere Stadtrat, Reichsbahnobersekretär Herm. Clausen, wird zum kommissarischen Bürgermeister ernannt und am 19.Dezember 1945 in sein Amt eingeführt. Clausen, früher Kreisleiter der SPD, ist zur dänischen Minderheit übergetreten. Der bisherige komm. Bürgermeister Dr.Hinrichs wird vom gleichen Zeitpunkt ab als komm. Landrat des Kreises Schleswig bestellt.

8.Dezember
Etwa 5oo Flüchtlinge aus Stadt und Kreis Schleswig reisen in die Ostzone zurück. Später folgen weitere Transporte.

1o.Dezember
Die Brennstofflage ist katastrophal. Es gibt nur 1 Zentner Holz pro Kopf und Monat, ab Januar dagegen nur 1/2 Zentner. Nur wenn kein Kochgas vorhanden ist, soll es 1 Ztr. geben. Der Waldbestand wird ruiniert. Das Pöhler Gehege ist fast kahl geschlagen. Der Holzdiebstahl nimmt überhand.

 

 

1946

 

Januar
Die allgemeine wirtschaftliche Lage ist sehr schlecht, da es infolge von Beschlagnahmen und Transportschwierigkeiten an allem fehlt. Neue Waren können infolge von Rohstoffmangel und Fehlens von Strom und Kohle nicht hergestellt werden. Nicht einmal die vom Wirtschaftsamt für dringende Zwecke ausgefertigten Bezugsscheine können beliefert werden.
Der Tauschhandel blüht. Beim Handwerker (Schuhmacher, Schneider, Glaser, Tischler usw.) muß man Altmaterial mitbringen, wenn man bedient werden will. Es fällt sogar schwer, für einen Verstorbenen einen Sarg zu bekommen.
Die Schulkinder können keine Bücher, ja nicht einmal einen Bleistift oder eine Schreibfeder kaufen. Die Schaufenster der meisten Geschäfte sind fast leer oder es werden darin Bilder unbekannter Künstler und solcher, die es sein wollen, ausgestellt. Preise von 2oo-3oo RM und mehr für ein mittelgroßes Bild ohne künstlerischen Wert sind die üblichen.
Käufer sind in erster Linie englische Soldaten, die ein Andenken von Schleswig mit in die Heimat nehmen wollen. Weiter blüht der Briefmarkenhandel bei stark überhöhten Preisen, sind doch nicht weniger als 5 Briefmarkenhandlungen hier am Orte eröffnet worden, wo früher nur eine vorhanden war. Alles Anzeichen der beginnenden Inflation.
Die Lebensmittelversorgung ist sehr schlecht und der Schwarzhandel blüht deshalb. Für Genußmittel, wie Kaffee, Tee und Alkohol, werden jetzt schon mehrere Hundert Mark für das Pfund bezw. die Flasche bezahlt, für eine Zigarette 2-3 RM das Stück.

16.Januar
Erste Zusammenkunft der neuen Stadträte und Stadtverordneten im Ständesaal des Rathauses unter Beisein eines Vertreters der Militärregierung. Bürgermeister Herm. Clausen vereidigt die neuen Mitglieder der Stadtvertretung. Stadträte sind jetzt :
Bankdirektor Bannier, Kaufmann Johannes Hagge, Maschinenbaumeister Johs. Lassen, Gewerkschaftsführer Heinz Luthe, Regierungsdirektor Hans Steppat, Rechtsanwalt Johannes Weiland und Amtsleiter Johannes Weiß. Außerdem 22 Stadtverordente.

20.Januar
Erneute Waffenamnestie. Ablieferungspflichtig sind alle Seitenwaffen jeder Art. Museum und Idstedt-Gedächtnishalle müssen ihre alten Waffen bei der Militärregierung deponieren. (1948 wieder freigegeben).

4.März
Herabsetzng der Brot-und Nährmittelrationen auf die Hälfte ! Große Bestürzung in der Bevölkerung, da die Rationen nicht mehr zum Leben ausreichen. Der Nährwert aller für einen Erwachsenen zur Verfügung stehenden Rationen ist auf 1ooo Kalorien berechnet worden. Eine Person über 18 Jahren erhält jetzt wöchentlich :

125o g Brot, 11o g Marmelade, 25o g Nähmittel, 1oo g Butter oder Fett, 11o g Fleisch, 1/2 Liter Magermilch, 15 g Käse, 1/2 Pfund Kaffeeersatz sowie einige Fische.

1.April
Die Einwohnerzahl der Stadt beträgt rd. 25ooo Einheimische und rd. 15ooo Flüchtlinge. Die Bevölkerung der Provinz hat sich von 1,5 Millionen im Jahre 1939 auf über 2,5 Millionen erhöht.

15.Mai
Etwa 2ooo polnische Soldaten (frühere Kriegsgefangene) sind in Schloß Gottorf einquartiert worden.

18.Mai
Von der Stadtvertretung wird auf Antrag des dänischen Schulvereins Südschleswig die Errichtung einer dänischen Volksschule genehmigt und dafür Räume in der Bugenhagenschule zur Verfügung gestellt. Es soll sich um 5oo Schüler handeln, die diese Schule besuchen werden.

25.Mai
Die sogenannte Windalle und die Allee zwiwchen Schloß Gottorf und Neuwerk sind vollständig kahlgeschlagen worden. Weiter ist der größte Teil des schönen Baumbestandes auf dem alten Domfriedhof an der Schubystraße der Axt zum Opfer gefallen. Es sollen dort Schrebergärten ausgelegt werden. Hunderte von weiteren Schrebergartenparzellen werden an anderen Stellen ausgelegt, damit die Einwohner sich zusätzlich Gemüse und Kartoffel bauen können.

23.Juni
Großer Aufmarsch und Kundgebung der sogenannten dänischen Minderheit in Schleswig. Die Kundgebung wurde auf der Lollfußer Schützenkoppel abgehalten. Mehrere Hundert von Deutschgesinnte versuchten die Kunfgebung durch Absingen des Schleswig-Holstein-Liedes zu stören.
U.a. wurde gerufen : “Wir wollen keine Dänen sein, wir wollen Deutsche bleiben. – Wir hungern weiter und bleiben deutsch.” u.a.m.
Das Chemnitz-Denkmal wurde spontan mit Blumen geschmückt.

1.Juli
Über 15oo Flüchtlinge treffen aus dem von Polen besetzten und ausgeplünderten Gebiet hier ein und werden in den inzwischen freigewordenen Kasernen an der Moltkestraße untergebracht.

4.Juli
Mord in Schleswig. Ein jugoslawischer Staatsangehöriger erschießt die Ehefrau (Thea Bumann) eines Anwohners der Flensburger Straße. Der Mörder konnte festgenommen werden.

17.Juli
Syndikus Dr.Furbach aus Schleswig wurde als Stadtdirektor gewählt. Ein solcher ist erforderlich, da der Bürgermeister nur ehrenamtlich tätig ist.

1.August
Die in Schloß Gottorf untergebrachten Polen haben die Stadt wieder verlassen.

5.August
Registrierung aller ehemaligen Nationalsozialisten. Es waren rund 4ooo in Schleswig.

1.September
Auf Anordung der Militärregierung muß die Landesverwaltung von Schleswig (Regierung) nach Kiel verlegt werden. Als Ersatz sollen andere Behörden (z.B. das Oberlandesgericht) von Kiel nach Schleswig verlegt werden.
Eine Lesehalle, “Die Brücke” genannt, wird von der britischen Besatzungsmacht im Hause Stadtweg 17 eröffnet. Sie soll der Verständigung dienen. (Im April 1949 erfolgte die Verlegung nach dem freigewordenen Schleswig-Holsteinischen Bank am Stadtweg.)

15.September
Gemeindewahlen. In der Stadt Schleswig wurden von 17972 stimmberechtigten Einwohnern 12857 gültige Stimmen abgegeben, und zwar für die :

– “Unabhängigen” (dänisch Gesinnten) 6132
– SPD 2o34
– CDU 4336
– KPD 359

Es wurden 24 “Unabhängige” in direkter Wahl gewählt. Durch den reservestock entfielen auf die CDU 4 und die SPD 2 Vertreter, insgesamt also 3o.

Dezember
Ende des Monats erfolgt eine besonders starke Einschränkung des Stromverbrauchs infolge Kohnelmangels und Transportschwierigkeiten.

 

 

1947

 

15.Januar
Große Kälte bis zu -16 Gr.C. Der größte Teil der Bevölkerung friert und hungert. Der Wald ist bald kahl geschlagen. Viel Holz geht auch nach England. Staketts und Gartenpforten werden in der Dunkelheit rücksichtslos abgebrochen.

2o.Januar
Die Lebensmittelrationen sind jetzt folgende :
Brot 25oo g, Nährmittel 25o g, Kaffee-Ersatz 3o g, Kartoffeln 25oo g, Fleisch 125 g, Fische 15o g, Fett 5o g, Magermilch 1/2 Ltr., Zucker und Marmelade zusammen 185 g und Gemüse 5oo g wöchentlich.

1o.Februar
Kürzung der Nährmittel und Zucker auf je 125 g, Erhöhung der Brotration dagegen um 18o g wöchentlich. Frische Milch und Fleisch werden immer rarer, da das Vieh rücksichtslos abgeschlachtet oder zu Reparationsleistungen herangezogen wird.
Die Bauern haben im Durchschnitt gegenüber früher nur die Hälfte an Kühen und fast keine Schweine mehr. Gemästet wird fast nur noch für den eigenen Bedarf, da es an Futtermitteln mangelt. Die Magermilch wird in Kappeln zu Trockenmilch verarbeitet für die Großstädte. Die hiesige Einwohnerschaft bekommt davon nichts zu sehen.

2o.Februar
Abermalige Einschränkung des Stromverbrauchs. Es gibt nur noch einige Stunden am Tage oder in der Nacht Strom. Nur die lebenswichtigen Betriebe, wie Wasserwerk, Krankenhäuser usw. erhalten Strom. Alle gewerblichen Betriebe, ausgenommen die Bäckereien, liegen still. Die Behörden haben infolge Mangels an Heizmaterial nur wenige Stunden am Tage in ungeheizten Räumen Dienst.

28.Februar
Die niedrige Temperatur hält weiter an und fällt bis auf -18 Gr.C. Das Eis auf der Schlei ist 75 cm stark. Sogar die Ostsee ist zum Teil zugefroren.
Die Hauptleitungen der Wasserleitung sind gefroren, sodaß in einigen Teilen der Stadt Wasserwagen eingesetzt werden müssen. Starkes Schneegestöber.

1o.März
Wieder starkes Schneegestöber. Die meisten Wege sind verschneit und nicht passierbar. Stellenweise liegt der Schnee über 1 m hoch.

12.März
Die Temperatur beträgt um 7 Uhr früh immer noch -16 Gr.C. Am 14.März tritt endlich Tauwetter ein, nachdem seit dem 1o.Dez. v.J. ununterbrochen Schnee gelegen hatte.

6.April
Erstmalig wieder Dommarkt auf dem Stadtfelde. Nur wenigen Buden und einige Karussells sind vertreten.

20.April
Es wird nur noch reines Maisbrot verabfolgt. Manche Personen können es nicht vertragen.

August
Der Sockel von dem bereits im Juni 1941 entfernten Bismarck-Standbild wird entfernt und der Rathausmarkt damit wieder ganz frei.

 

 

1948

 

2o.Februar
Es sind bis jetzt 151 Häuser mit 249o Räumen und 73556 qm Wohnraum von der Besatzungsmacht beschlagnahmt. Darunter sind 59 Privathäuser mit 456 Räumen. 18oo Personen mußten wegen der Beschlagnahme anderweitig untergebracht werden. Jetzt droht eine weitere Beschlagnahme von 7o – 9o Häusern. Die Stadtvertretung hat dagegen protestiert und ein Telegramm an die englische Regierung abgesandt.

8.Juni
Große Jahresversammlung der SSV (Südschleswigschen Vereinigung) auf der Schützenkoppel am Hesterberg. Es sprach der Bürgermeister Herm. Clausen, Schleswig. Er sagte u.a., die Südschleswiger hätten erst durch Leid und Not gehen müssen, um zu der Erkenntnis zu gelangen, daß sie in Dänemark ihr rechtmäßiges Vaterland hätten. Es wurde auch ein Huldigungstelegramm an das dänische Königspaar abgesandt !

18.Juni
Die längst erwartete Währungsreform wird durch die Besatzungsmächte verkündet. Gegen Einzahlung von 6o,- RM werden 6o,-DM als “Kopfbetrag” gezahlt, und zwar 4o,- DM sofort und 2o,- DM am 5.September.
Im übrigen erfolgt eine Abwertung des Geldes auf 1o %. Davon werden aber nur 5 % ausgezahlt und die anderen 5 % auf ein festkonto gutgeschrieben, also blockiert.
Der sogenannte schwarze Markt wurde nach Durchführung der Währungsreform fast restlos beseitigt. Die Bevölkerung weiß den Wert, d.h. die Knappheit des neuen Geldes aber noch nicht zu schätzen. Das konnte man so recht auf dem mit der Auszahlung der zweiten Kopfrate von 2o,- DM zusammenfallenden Herbstmarkt auf dem Stadtfelde beobachten, wo das Geld anscheinend keine Rolle spielte, wenigstens nicht bei der jüngeren Generation.

23.September
Ein großer Teil der britischen Besatzung wird durch norwegische Soldaten ersetzt. Sie nehmen in dem früheren Seefliegerhorst auf der Freiheit Quartier.

3o.September
Erste große Kundgebung des neugegründeten Schleswig-Holstein. Heimat-Bundes (SHHB) im Stadttheater. Über 1ooo Personen nahmen daran teil. Es sprach Minister Dr.Schenck, Kiel.

24.Oktober
Gemeindewahl. Wahlbündnis zwischen CDU und SPD. Dieser erzielten in der Stadt Schleswig zusammen 12286 Stimmen. Die SSW (Südschleswiger Wählerverein) erhielt 7187 Stimmen und die KPD (Kommunisten) nur 3o5 Stimmen.
In die Stadtvertretung wurden gewählt 2o deutsche und 7 dänischgesinnte Mitglieder. Von den 2o deutschen Vertretern gehörten 8 der SPD an.

25.Oktober
Vom Rathaus und dem Domturm wehen aus Anlaß des deutschen Wahlsieges die von der Militärregierung erst kürzlich wieder zugelassenen blau-weiß-roten Landesfarben.